Dresden – das dritte Wochenende im Juni! Es ist BRN! Für alle Nicht-Dresdner: Bunte Republik Neustadt! Zum fünfundzwanzigsten Mal!
Vor 25 Jahren von den Bewohnern des größten Gründerzeitviertels von Europa aus der Wiege gehoben, ist das Stadtteilfest heute eine feste Größe im Kalender der Dresdner und natürlich der Neustadtbewohner.
Hier, in den Straßen zwischen Königsbrücker, Bischofsweg,
Kamenzer und der Bautzner Str. trifft sich an diesem Wochenende das bunte
Potpourri der Spezies Mensch. Fellini hätte seine wahre Freude und eine große
Auswahl an möglichen Protagonisten.
Unter der Annahme, dass die Nachfrage das Angebot bestimmt,
müssen die Besucher dieses Festes wohl zu den hungrigsten Menschen Europas
gehören. Das Angebot an Speisen wird nur von dem der Bierausschenker getoppt.
Aber dafür ist die Vielfalt der Essensanbieter um ein vielfaches höher, auch
wenn in diesem Jahr die indische Küche zu überwiegen scheint.
Ursprünglich auch einmal als Kreativfest der
Neustadtbewohner vollzogen, haben inzwischen immer mehr kommerzielle Anbieter
dieses Wochenende für den schnellen Euro auserkoren. Kein Wunder, dass dies zu
immer größeren Unmut führt und jedes Jahr aufs Neue, die Fortsetzung in Frage
stellt.
Wenn man aber aus den vergangenen Zeilen schließt, dass es
sich um ein reines Fress- und Sauffest handeln könnte, so ist diese
Schlussfolgerung zwar nicht gänzlich falsch, aber eben auch nicht richtig.
Den Charme machen eben auch die zahlreichen Bands aus, die
hier ihre Chance sehen, sich in das richtige Licht zu setzen und ein breites
Publikum zu erreichen. Daneben finden sich auch kleinere Bühnen, auf denen
Musik aufgelegt wird und die mit dem Sound von den verschiedenen Balkonen
konkurrieren.
Nicht jede dieser Takte ist ohrwurmtauglich und wird deshalb
vom Trommelfell eines über 50-jährigen einfach nur als Krach wahrgenommen. Mit
dem Wissen darum lässt es sich trotzdem gut durch das Viertel flanieren und ein
paar nette Überraschungen entdecken.
Junge Frauen demonstrieren ihr Verantwortungsbewusstsein in
dem sie ihren Kleinst- und Kleinkindern übergroße Kopfhörer aufsetzen, um den
Nachwuchs vor diversen Langzeitfolgen zu schützen.
Die Generation Y will schließlich das Leben und all seine
Annehmlichkeiten genießen und ist bereit, dies mit dem ebenbürtigen Nachwuchs
auszudiskutieren. Aber in erster Linie müssen sie ihren Nachwuchs wie eine
Löwenmutter verteidigen, wenn das gemeine Volk sich dem Selbstbewusstsein einer
Mutter dieser Generation entgegenzustellen wagt. Da kann man sich schon einmal
mit recht aggressivem Vokabular konfrontiert sehen! Wer sich aber schon einmal
einer jungen Frau mit Kinderwagen oder mit einem Rehpinscher an der Leine auf
dem Dresdner Striezelmarkt gegenübersah, kann souverän mit der Situation
umgehen.
Im Zweifel kann ihm die Staatsgewalt zu Hilfe eilen. Diese
ist wie immer zahlreich vertreten und versucht durch Präsenz gewalttätigen
Exzessen entgegen zu wirken. Das war in den vergangenen Jahren nicht immer
erfolgreich und so zählen ein paar ordentliche Straßenschlachten auch zur
Geschichte der BRN.
Man rechnet immer mit der Gewalt auch extra angereister
Besucher aus Nah und Fern, weswegen die Ausrüstung und der Anblick der Beamten
mit dem Schriftzug ‚Polizei’ auf dem Rücken, recht martialischer Natur ist. Es
schüchtert Ottonormalverbraucher sicher ein, auf den harten Kern wirkt es wohl
eher provozierend.
Zu später Stunde tauchen auch jene auf, die sich mit dem
Sammeln von Flaschen ihren Lebensunterhalt aufbessern müssen. Für diese ist das
Terrain zu Zeiten der BRN ein wahres Eldorado. Auch wenn es vielleicht zynisch
klingen mag – es sei ihnen gegönnt. Gar nicht auszumalen, welche Schicksale
sich ohne dieses Zubrot abspielen würden, wenn der ehemalige Umweltminister den
Pfand der Glasflasche auf mehr als diese läppischen acht Cent festgelegt hätte.
Gut, dann gebe es in der Stadt auch weniger kaputte Fahrradreifen und so
profitieren auch die Händler vom Fahrradzubehör von dieser Entscheidung. Eben
alle Gewinner!
Mit der Nacht vom Samstag zum Sonntag ist der Höhepunkt auch
schon erreicht und so trifft man sich am Sonntagvormittag auf den Straßen zu
alternativen Frühstücksrunden mit Kind und Kegel. Es geht beschaulich zu.
Die Menge angetrunkener Menschen ist zu diesem Zeitpunkt
erfreulich gering, so dass es eine Freude ist, sich dort, wo der Geist der BRN
noch umgeht, umzusehen.
Als Anwohner hat man sowieso nur zwei Möglichkeiten. Man
engagiert sich mit der BRN und verkauft selbstgebackenen Kuchen, mixt diverse
Getränke vor dem Haus oder weiß bereits Jahre im Voraus, wann der Kurzurlaub in
das Umland zu buchen ist.
Trotz der Tatsache, dass der Kommerz immer mehr an Boden
gewinnt, sollte auf dieses Fest auch in den kommenden Jahren nicht verzichtet
werden und selbst wenn es vielleicht so klingt, dass ich dem nicht zugetan bin,
so freue ich mich auf das kommende Jahr und werde mich wieder mit der
Menschenmenge durch die Straßen der Neustadt treiben lassen.
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